Dienstag, 14. September 2010

Vorspiel

Etwas mehr als einen Monat sind
wir hier. Mittlerweile haben die Vor-
lesungen begonnen und wir haben die
ersten Eindrücke gesammelt. Gerade
am Anfang gingen diese Eindrücke
mit großer Müdigkeit einher, denn
hier beginnen sie wirklich ganz am
Anfang. Natürlich ist das für Leute
aus dem Bereich der Psychologie
trotzdem ein schnelles Tempo. In
Berlin kümmert das aber niemanden,
ob man eine Vorbildung hat oder nicht.

Es scheint, dass die meisten interessanten
Kurse im zweiten Halbjahr sind.
Grundlegend anders ist die Vertei-
lung der Masterthemen. Hier müssen
sich die Studenten bereits kurz nach
Studienbeginn entscheiden, obwohl
die meisten noch nie ein Labor von
innen gesehen haben.

                                     Der Blick auf den Fjord auf dem morgentlichen Weg
                                     zur Uni...allerdings müssen wir den Berg auch wieder
                                     hoch laufen.



Zu Beginn des Studiums wurden
uns Punkte genannt, die zumindest
seltsam sind bei Norwegern. Einer
davon war, dass sie allgemein sehr
scheu sind, ist aber erstmal der Kon-
takt hergestellt, sollen sie sehr
hilfsbereit sein. Um das herauszu-
finden, entwickelten wir ein Spiel:
"Wo ist Klaus?" Der Hauptcampus
heißt hier Gloshagen. Wenn man
ein paar Bier getrunken hat und mit
holländischem Akzent hört sich
das sehr nach Klaus Hagen an.
Seit dem uns diese Wahrheit
offenbart wurde, versuchen wir
Norweger zu finden, die wissen,
wo Klaus ist. Und alle Vorurteile
sind wahr.
Wenn wir nachts um drei
völlig verzweifelt nach Klaus fragen,
tun sie alles um uns zu helfen. Sogar
eine Info-Hotline wollten einige
schon anrufen. Auf die Idee, dass
wir uns einen Spaß erlauben,
ist bisher noch keiner gekommen.
Und dabei probieren wir alles,
sie darauf zu bringen, in dem wir
weiter fragen und am Ende sogar
einfach den Campus nennen.
Einfach zu freundlich. In Berlin
würde ich das nicht probieren.

In anderen Bereichen des Lebens
außer der Uni haben Basti und
ich größere Probleme uns einzu-
gewöhnen. Noch immer sind wir
erstaunt, wenn unser Versuch, Bier
um 20:02 Uhr zu kaufen, abgelehnt
wird oder um 02:00 Uhr morgens
die Lichter im Club angehen.
Ja, die Zeit zum Ausgehen ist stark
begrenzt. Und ein Bier kann im Club
gut und gerne 8 € kosten. Darum
trifft man sich hier bereits um 19:00 Uhr
(ja, sieben Uhr) zum Vorspiel.
Im Grund genommen sind Vor-
spiel und Vorglühen dasselbe.
Allerdings haben Norweger auch
noch ein Nachspiel, eben weil
die Clubs so früh geschlossen
werden. Nichtsdestotrotz
schaffen es die allermeisten Nor-
weger bis zum Toreschlusse
unglaublich betrunken zu sein.
Wirklich überzeugt von dieser
Alkoholpolitik sind wir nicht.


Norweger sind zwar im Zwei-
felsfall sehr hilfsbereit, Kavalliere
sind sie eher weniger. Wer eine
verwunderte Norwegerin erleben
möchte, halte einfach eine Tür auf
oder biete einen Stuhl an. Letzteres
hat fast fünf Minuten Überzeugungs-
arbeit gebraucht. Dass es in Deutsch-
land ein ganzes Buch
über solche Verhaltensregeln gibt
wollte mir keiner glauben.

Bis auf demnächst.

Samstag, 11. September 2010

Rauchst du noch oder kokst du schon?

Am Donnerstag, den 09. 09. 10
fand in der NTNU ein Symposium
mit vielen Größen aus den Neuro-
wissenschaften statt. Insgesamt gab
es 9 Vorträge unter anderem von
Leuten wie Morris, den einige
von Escape Test kennen, wobei
eine Ratte in einen Wasserbassin
geworfen wird und dort eine Platt-
form finden muss, die entweder sicht-
bar oder versteckt ist. Dann muss
die Ratte sich merken, wo sie sich be-
funden hat.
Morris ist auch ein fantastischer
Redner und stellte dort einen
neuen Versuch vor, in dem die Ratten
eine ähnliche Aufgabe bewältigen mussten,
die sich jedem stellt, wenn man mit dem
Auto in einem Kaufhaus einkaufen geht
und danach sein Auto auf einem riesigen
Parkplatz wiederfinden muss. In der
Rattenversion wurde nun ein Futter-
pellet in einem bestimmten Loch
versteckt. Die Ratte hatte einen
Versuch und wurde nach einem
Tag erneut getestet. Erstaunlicher-
weise schnitten die Ratten wesentlich
besser ab, wenn sie nach dem
Trainingsdurchgang in einen anderen
Käfig gesteckt wurde, in dem sie
mit einer neuen Umgebung konfron-
tiert wurde. Obwohl dieser neue Reiz
in keinem direkten Zusammenhang
zum Pelletproblem stand, blieb
der Ort des Pellets wesentlich
besser im Gedächtnis haften.
Was lernen wir daraus? Beim
nächsten Einkauf mal was
ganz Neues ausprobieren. Dann
spart man im Nachhinein viel Zeit,
weil man das Auto nicht ewig
suchen muss.


Das Highlight des Tages war
natürlich der Vortrag des Nobel-
preisträgers Eric Kandel, der
zusammen mit seiner Frau zu dem Thema
sprach, ob es ein Leben nach dem
Nobelpreis gibt.


Interessanterweise bringen die meisten
Nobelpreisträger nach dem Gewinn dieses
Preises nichts mehr zustande. Und als Kandel
1995 von ein paar deutschen Kollegen
prophezeit bekam, er werde in den nächsten
Jahren einen Anruf aus Stockholm erhalten,
meinte seine Frau nur: "Hoffentlich nicht allzu
bald. Du hast doch noch so viele gute Ideen."

Sein Geheimnis lag eben dann auch in seiner
Ehe mit Denise Kandel, Soziologin und
bekannt für die Gateway-Hypothese. Diese
baut auf der Beobachtung, dass die allermeisten
Kokser auch rauchen. Sie schlussfolgerte,
dass der Sprung vom Rauchen zum Kokain
wesentlich geringer ist als direkt zu Kokain.
Die Kooperation bestand nun darin, diese
epidemiologischen Untersuchen durch moleku-
larbiologische Mechanismen zu untermauern.
Und in der Tat konnte in Tierversuchen
gezeigt werden, dass das Suchtpotential
viel größer ist, wenn das Tier mindestens
eine Woche lang Nikotin konsumiert hatte.
Natürlich konsumiert nur ein geringer Teil
aller Raucher Kokain, umgekehrt sind aber
die allermeisten Kokser auch Raucher. Und
durch die Einschränkungen für Raucher ging
ebenfalls der Kokainkonsum zurück.

Ungeachtet auf welcher Seite man in dieser
Frage steht, ist es ein großer Genuss, Kandel
in Vorträgen zu erleben. Es gab auch im Anschluss
die Möglichkeit weiterzudiskutieren.

Es war also ein sehr interessanter aber auch langer Tag.
Und so mancher Vortrag war grausam
langweilig. Überhaupt schien fast keiner der
Vortragenden sich an die 20-Minuten-
Grenze halten zu wollen. Manche waren
scheinbar eher auf 60 Minuten eingestellt.
Diese Begeisterung für die eigene Forschung
greift natürlich auch auf das Publikum
über, doch nicht umsonst sind die
Vorträge zeitlich begrenzt, denn ebenso
ist die menschliche Aufnahmefähigkeit.

Doch endlich gab es mal Vorlesungen,
wo auch wir etwas lernen konnten. Aber
dazu mehr ein anderes Mal.

Montag, 6. September 2010

Tütensuppentourismus

Überall ist das Geschrei groß, wenn große
Unternehmen aus Gründen der Kostenersparnis
ihre Produktion oder ihren Einkauf ins Ausland ver-
legen.
Bei uns nicht. Wir haben gelernt, dass es sehr wohl Si-
tuationen gibt, die diesen Schritt mehr als rechtfertigen.
Und nicht nur wir. Eigentlich sind wir nur Teil einer Be-
wegung um Mehrwertsteuern zu sparen. Daher fährt der
Norweger nach Schweden, der Schwede nach Dänemark,
der Däne nach Deutschland, der Deutsche nach Polen. Nur
der Pole kauft zu Hause ein.
Diesem natürlichen Strom folgend ging es letzten Donnerstag
für uns nach Schweden. Passenderweise fährt sechs Tage die Woche
ein Bus direkt zu einem schwedischen Supermarkt,
einmal in der Woche sogar direkt von unserem Studentendorf
aus. Und die Mitfahrt ist sogar für umsonst.

Oben eine Impression aus dem Bus. Ja, der Sonnenschein
hat uns weitgehend verlassen.
Gut 90 Minuten dauerte die Fahrt und dann waren wir end-
lich im Einkausparadis angekommen. Aldi-ähnliche
Zustände schwebten uns vor. Endlich mal nicht sich wie jemand
aus einem Entwicklungsland fühlen. Die Ernüchterung kam
prompt.



Zwar waren wir in Schweden, aber wohl im
teuersten schwedischen Supermarkt überhaupt.
Der Plan Alkohol zu kaufen schlug ebenfalls fehl.
Bier bis maximal 3,5% und alles andere nur auf
Bestellung. Fleisch, Käse und Gemüse waren alle
ähnlich teuer, wie in Norwegen auch.
Und so blieb das Putenbrustfilet nur ein Traum,
der sich in billigen Tiefkühlfrikadellen materialisierte.

Positiv bleibt zu vermerken: Wir waren
jetzt immerhin mal in Schweden gewesen.